Eine modulare Software zur Rekonstruktion wissenschaftlicher Bilder

Pyxu wurde für den bereichsunabhängigen Einsatz konzipiert und soll die harmonische Integration von hochmodernen KI-Technologien ermöglichen. © iStock
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der EPFL haben ein Programm in Form von wiederverwendbaren und universellen Algorithmusblöcken entwickelt, um die Rekonstruktion von Bildern in jedem Massstab zu ermöglichen und zu beschleunigen.
Teleskope, Mikroskope, Tomografen und andere Bilderfassungsmethoden ermöglichen es uns, lebende Organismen und unbelebte Objekte zu beobachten, die sich zum Teil bewegen und die immer kleiner und immer weiter entfernt sind, und in sie hineinzublicken, ohne ihren Zustand zu verändern. Doch diese Geräte erzeugen selbst bei maximaler Leistung oft nur Teilbilder oder Bilder von zu geringer Qualität, um viele Erkenntnisse zu liefern. Hier kommen leistungsstarke Algorithmen ins Spiel: Sie können fehlende Informationen zum Licht wiederherstellen, die Auflösung und den Kontrast eines Bildes verbessern und Volumen rekonstruieren. In letzter Zeit wurden bei dieser Technik beeindruckende Fortschritte erzielt, sodass sie heute in vielen Forschungsbereichen eine zentrale Rolle spielt. Auch wenn sich die zugrunde liegenden physikalischen Prinzipien oft sehr ähneln, sind die von Spezialistinnen und Spezialisten der verschiedenen Fachgebiete entwickelten Gruppen von leistungsstarken Algorithmen für spezifische Anwendungen konzipiert. Es ist deshalb ein erheblicher Aufwand, sie anzupassen und zu übertragen, sobald sie ausserhalb ihres ursprünglichen Gebiets angewendet werden. «Wir haben den Eindruck, dass wir dauernd die gleichen Teile des Codes neu schreiben müssen, um diese Methoden anzupassen», sagt Sepand Kashani, Doktorand im Labor für audiovisuelle Kommunikation der EPFL. Deshalb entwickelte er gemeinsam mit Matthieu Simeoni und Joan Rué Queralt, dem ehemaligen bzw. dem aktuellen Leiter des Hubs zur Rekonstruktion von Bildern im Bildgebungszentrum der EPFL, eine anwendungsunabhängige Software, welche die Nutzung dieser Programme unabhängig vom Forschungsgebiet ermöglicht. So entstand Pyxu, eine Software, die heute Open Source ist.
Mit dem Aufkommen von Deep Learning hat sich die Landschaft der rechnergestützten Bildgebung in den letzten Jahren radikal verändert. Der Einsatz dieser KI-gestützten Technologien ermöglichte rasch eine bessere Leistung, als mit herkömmlichen Algorithmen erzielt werden konnte.
Vom Weltraumbild bis hin zum Bild eines Moleküls: universelle physikalische Konzepte
«Die universellen physikalischen Gesetze, welche die Bildgebung regeln, sind oft dieselben, unabhängig vom jeweiligen Forschungsgebiet», bemerkt Joan Rué Queralt, Leiter des Hubs zur Rekonstruktion von Bildern im Bildgebungszentrum. Die Probleme bei der Bildrekonstruktion lassen sich daher in einige wenige Kategorien einteilen, für die ähnliche mathematische Modelle verwendet werden: Das sind Kategorien wie Röntgenstrahlen und Tomografie, MRT und Radioastronomie sowie einige andere.» Damit ist es möglich, eine anwendungsunabhängige Software zu entwickeln. «Bildgebende Verfahren werden im Allgemeinen nur in dem Bereich eingesetzt, für den sie ursprünglich entwickelt wurden: So erleben wir überall, dass Forscherinnen und Forscher viel Aufwand betreiben, um Programme zu entwickeln, die den bereits vorhandenen ähneln. Das bremst den Fortschritt in der Bildgebung in allen Bereichen.»
Pyxu wurde für den bereichsunabhängigen Einsatz konzipiert und soll die harmonische Integration von hochmodernen KI-Technologien ermöglichen. «Mit dem Aufkommen von Deep Learning hat sich die Landschaft der rechnergestützten Bildgebung in den letzten Jahren radikal verändert», erklärt Martin Vetterli, Professor am Labor für audiovisuelle Kommunikation. Der Einsatz dieser KI-gestützten Technologien ermöglichte rasch eine bessere Leistung, als mit herkömmlichen Algorithmen erzielt werden konnte.» Diese Algorithmen werden zum Beispiel durch den Vergleich von Bildern von hervorragender Qualität und dem Ergebnis von Rekonstruktionen trainiert. Danach sollen sie automatisch die verschiedenen Korrekturen durchführen, die für ein korrektes Ergebnis erforderlich sind, und die Daten miteinander vergleichen.
Bei der Entwicklung der Software Pyxu, die vom Bildgebungszentrum der EPFL und vom Labor für audiovisuelle Kommunikation initiiert wurde, mussten zur Erstellung der Software und der Open-Source-Plattform Kenntnisse aus verschiedenen Bereichen zusammengeführt werden. «Eine der grössten technischen Schwierigkeiten bestand darin, die Software so anpassungsfähig zu gestalten, dass sie grosse Datenmengen verarbeiten kann und sich mühelos in verschiedenen IT-Infrastrukturen sowie in einer Vielzahl von Hardwarekonfigurationen einsetzen lässt», hält Sepand Kashani fest.
Weniger Code, mehr Bausteine
Nutzerinnen und Nutzer müssen die Codezeilen nicht mehr in all ihren Feinheiten kennen. Vielmehr können sie die Module, die für verschiedene Aufgaben verwendet werden, auswählen und in der gewünschten Reihenfolge zusammenfügen, ähnlich wie bei einem Legobaukasten. Einer der ersten Nutzer, Nino Hervé, ein Doktorand an der UNIL, verwendet sie zur Rekonstruktion von Daten aus Elektroencephalogrammen (EEG). «Die Aktivität von 5 000 neuronalen Verbindungen aus 200 Messungen von Elektroden auf der Kopfhaut zu interpretieren, ist eine echte Herausforderung. Um sie effizient zu meistern, brauchen wir Programme, die Optimierungsprobleme lösen können. Pyxu verwendet eine Vielzahl modernster Optimierungsalgorithmen und kann Berechnungen parallel ausführen. Dadurch wird die Rechengeschwindigkeit erhöht und meine Arbeitsbelastung erheblich verringert.» Die Software, die erst seit einigen Monaten als Open Source verfügbar ist, wurde an der EPFL bereits im Rahmen mehrerer Forschungsarbeiten in der Radioastronomie, der Optik, für Tomografien und Scans eingesetzt. «Unsere Vorstellung ist, dass Forscherinnen und Forscher auf der Grundlage unserer Modelle neue Modelle erstellen und sie anschliessend hinzufügen können, damit die gesamte Wissenschaftsgemeinschaft davon profitiert», erklärt Matthieu Simeoni, der Initiator des Projekts.
Eine zweite, besser skalierbare Version
Die zweite Version von Pyxu ist besser skalierbar und kann daher für grössere Datenmengen verwendet werden. Sie wird ebenfalls in Kürze als Open-Source-Software zur Verfügung gestellt. Das Team setzt seine Bemühungen fort, die Software um neue Funktionen zu erweitern und die Nutzung weiter zu vereinfachen. So arbeitet es beispielsweise eng mit dem Labor für biomedizinische Bildgebung der EPFL zusammen, um auf neueren Arbeiten aufzubauen, die KI-gestützte Algorithmen in mathematische Modelle einbetten. Die auf diese Weise erzeugten Rekonstruktionen sollen nicht nur visuell informativ sein, sondern auch mathematisch zuverlässig – eine wesentliche Eigenschaft für sensible Anwendungen wie die medizinische Diagnostik.