Die Schweiz sollte auf Sonnen- und Windenergie in den Bergen setzen

Forschende der EPFL und des SLF zeigen auf, welche Art von erneuerbarer Energie an welchen Standorten in der Schweiz installiert werden sollte, um eine maximale CO2-Neutralität und Energieunabhängigkeit des Landes zu gewährleisten.


Video: Simulation des elektrischen Energiesystems der Schweiz bestehend aus Solar-, Wind-, und Wasserkraft, Verteilnetz und Nachfrage. Die Simulation basiert auf realen Wetterdaten der ersten Januarwoche 2016. Der graue Hintergrund zeigt das Windpotential, kleine Quadrate die Windenergie-Produktion und grosse Punkte Wasserkraftwerke (rot: stromproduzierend, blau: Pumpspeicher im Pumpbetrieb). Bild Anklicken zum Anzeigen der animierten Grafik.

Die Installation von Windkraftanlagen in Kombination mit Solarmodulen in den Alpen ist die effektivste Lösung, um in der Schweiz Energieneutralität und -autonomie zu erreichen. Insgesamt würden 75 % Windkraft und 25 % Solarenergie die derzeitige Versorgung aus Wasserkraft ergänzen. So sieht zumindest das «optimale Szenario» aus, das die Forschenden des Labors für Kryosphärenforschung (CRYOS) der EPFL und des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF ermittelt haben. Die Ergebnisse ihrer Arbeit, die vom Schweizerischen Nationalfonds und dem Bundesamt für Energie unterstützt wurde, sind soeben in der Zeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht worden.

«Wir wissen, dass ein solches Szenario provokant wirkt. Wir wollten jedoch unseren Ansatz konsequent zu Ende denken, um den effizientesten Weg aufzuzeigen, auch wenn er radikal erscheint, wohl wissend, dass die Politik einen Mittelweg wählen wird, der zwischen diesem Szenario und der jetzigen Situation liegt», erklärt Jérôme Dujardin, Erstautor der Studie und Doktorand in Umweltwissenschaften und Umwelttechnik an der EPFL.

Schweizer Besonderheiten

Die neue, vom CRYOS-Labor entwickelte Methode zeigt, welche erneuerbaren Energien am besten für die Schweiz geeignet sind, wobei Topographie, Mikroklima, die Speicherung von Wasserenergie und die Frage des Energieaustauschs mit den Nachbarländern berücksichtigt werden. Für ihre Berechnungen nutzen die Wissenschaftler Schweizer Wetterdaten (Sonneneinstrahlung, Windgeschwindigkeit usw.), das satellitengestützte SUNWELL Model und berücksichtigten die aktuelle Wasserkraftinfrastruktur.

Ziel war es, eine den Besonderheiten der Schweiz entsprechende Studie zu erstellen. Dank einer hochauflösenden Geländeanalyse parametrisierten die Wissenschaftler das Modell so, dass ein Mindestabstand von 500 Metern zwischen den neuen Windkraftanlagen und Wohnhäusern eingehalten sowie Gletscher, steile Hänge, Wälder, der Nationalpark und, soweit es um Solarmodule ging, nach Norden gerichtete Hänge gemieden wurden. Die Wissenschaftler integrierten auch das Stromnetz in seiner für 2025 geplanten Konfiguration, um sicherzustellen, dass das gesamte Stromsystem betriebsbereit sein wird.

Der Jura, Spitzenreiter bei der Windkraft

Die Studie zeigt, dass der Jura die interessanteste Region für die Installation von Windkraftanlagen ist und dass unbewohnte Gebiete noch viel Potenzial aufweisen. Allein auf diese Region entfallen 40 % der vom Modell empfohlenen Installationen. Es folgen die Alpen und die Voralpen. Die Wissenschaftler kamen auch zum Schluss, dass die massenhafte Installation von Solarmodulen auf den Dächern von Städten nicht sinnvoll ist, vor allem wegen der starken Bewölkung in der kalten Jahreszeit.

Solarmodule in den Alpen

Hingegen gibt es ein bislang verkanntes Thema, das laut Michael Lehning, Mitautor der Studie, ordentlicher Professor und Leiter des CRYOS-Labors, eine eingehendere Betrachtung verdient: «Unsere Studie bestätigt, dass es eine echte, auch wirtschaftliche Chance gibt, Solarmodule in den Alpen zu installieren. Im Winter herrscht eine starke Sonneneinstrahlung, und das bestehende Stromnetz, in das vor allem Wasserkraft eingespeist wird, könnte genutzt werden, um diese Energie ins Flachland zu transportieren. Eine ähnliche Chance bietet sich auch für Windkraftanlagen in den Alpen, wo aufgrund der topografischen Komplexität noch verstecktes Potenzial vorhanden ist.»

Er ist überzeugt, dass das Ergebnis der Untersuchung die Verantwortlichen anspornen sollte, sich für diese Möglichkeiten zu interessieren. «Im Sommer verfügt die Schweiz über reichlich Wasserkraft, die zu dieser Jahreszeit eher nutzlos ist, vor allem wenn die Photovoltaikanlagen auf den Dächern weiter zunehmen. Unsere Studie zeigt, dass die Installation von alpinen Solarmodulen besser mit Wasserkraft einhergeht und unsere Abhängigkeit von Energie aus den Nachbarländern im Winter um bis zu 80 % reduziert werden kann.»

Die Schweiz als Fallbeispiel

Die Schweiz diente den Wissenschaftlern als Fallbeispiel. Ihre neue Optimierungsmethode beruht auf einer «evolutionären Strategie», die sich an der Entwicklung lebender Organismen inspiriert und darauf abzielt, verschiedene Szenarien zu testen und erneuerbare Energien optimal zu kombinieren, um so das Szenario zu bestimmen, das am effizientesten und so CO2-neutral wie möglich ist. Diese Methode ist als erste in der Lage, eine derart grosse Anzahl von Elementen zu berücksichtigen, die Relevanz einer erneuerbaren Energie für ein ganzes Gebiet zu bestimmen und an den jeweiligen Standort anzupassen. Daher könnte sie auch auf andere Länder übertragen werden.