Can we still drink Swiss tap water?

Water from the fountain© Urs von Gunten / EPFL 2019

Water from the fountain© Urs von Gunten / EPFL 2019

An interview with Prof. Urs von Gunten about drinking water was published online on Bluewin last Friday.

Anhand welcher Kriterien werden Grenzwerte für Pestizide festgelegt?

Dabei stützt man sich auf Daten aus Tierexperimenten mit Ratten und Mäusen. Diese Tiere werden über einige Monate hohen Konzentrationen dieser Stoffe ausgesetzt.

Das heisst, es gibt keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Analysen, bei denen der direkte Effekt auf den Menschen untersucht wurde?

Epidemiologische Studien sind nur wenige vorhanden, und diese können keinen Zusammenhang zwischen diesen Stoffen und der Gesundheit herstellen. Zudem werden auch beträchtliche Mengen an Pestiziden über Lebensmittel aufgenommen. Die Daten, die aus den Versuchen mit Tieren resultieren, wurden auf den Menschen – vereinfacht gesagt – «umgerechnet». Sie sagen zwar etwas über die Toxizität von Stoffen aus, sind aber mit grossen Unsicherheiten behaftet. Deshalb werden zur Festlegung von Höchstkonzentrationen hohe Sicherheitsfaktoren zur Übertragung vom Tier auf den Menschen eingebaut.

Wie gelangen Pestizide in unser Trinkwasser?

Durch die in der Schweiz intensiv betriebene Landwirtschaft werden sie auf den Feldern ausgebracht und geraten auf diesem Weg ins Grundwasser. Zum Schutz des Grundwassers werden bestimmte Gebiete in der Schweiz nicht oder nicht intensiv landwirtschaftlich genutzt.

Dann dürften solche Stoffe eigentlich doch kaum im Grundwasser zu finden sein.

Pestizide, die nicht schnell abgebaut werden, können auch im Grundwasser über grössere Distanzen transportiert werden. Hinzu kommt, dass man die landwirtschaftliche Produktion in der Vergangenheit höher gewichtet hat als die Wasserqualität. Das Grundwasser gerät aber auch durch die Siedlungsentwicklung unter Druck: Immer mehr schützenswerte Gebiete werden überbaut, ökonomische Interessen dem Schutz des Grundwassers übergeordnet.

Hat sich die Qualität unseres Wassers im Laufe der vergangenen Jahrzehnte stark verändert?

Seit der Industrialisierung kommen immer mehr Chemikalien zum Einsatz. Im täglichen Gebrauch sind es etwa 30'000, darunter auch viele Produkte aus dem Haushalt wie Kosmetikprodukte, Medikamente und Reinigungsmittel. Diese gelangen dann über verschiedene Wege in die Umwelt. Ein wichtiger Eintragspfad ist das Abwasser aus den Haushaltungen. Um diese teilweise schädlichen Stoffe aus dem Abwasser zu entfernen, werden Kläranlagen in der Schweiz aufgerüstet und mit speziellen Aufbereitungsstufen ausgerüstet. So kann die Belastung unserer Gewässer mit Chemikalien, beispielsweise aus Haushaltungen und Spitälern, vermindert werden. Allerdings hilft diese Massnahme nicht, Chemikalien, die aus der Landwirtschaft stammen, zu reduzieren.

Inwiefern ist das intensive Düngen der Felder für unsere Wasserressourcen problematisch?

Die zum Düngen ausgebrachte Gülle enthält unter anderem Stickstoff, der das ökologische Gleichgewicht unserer Gewässer gefährdet. Im Grundwasser führt das zu erhöhten Nitratgehalten, was hinsichtlich der Wasserqualität unerwünscht ist. Ein weiteres Problem sind Medikamente, die in der Nutztierhaltung eingesetzt werden: Arzneien wie Antibiotika können unter gewissen Bedingungen Resistenzen hervorrufen. Dann besteht die Möglichkeit, dass sie bei Infektionen mit bestimmten Keimen auch bei Menschen ihre Wirkung verlieren. Welche Rolle solche Resistenzen in der Umwelt für die menschliche Gesundheit spielen, ist noch nicht genügend erforscht.

Krank machen können uns aber auch die Erreger selbst, wenn sie über die Exkremente der Tiere ins Trinkwasser gelangen. Dieses Problem ist allerdings in der Schweiz gelöst: Für die Trinkwasseraufbereitung werden – falls nötig – Desinfektionsprozesse wie die Bestrahlung durch ultraviolettes Licht eingesetzt.

Zunehmend werden Mikroplastikpartikel in unseren Gewässern gefunden. Gemäss einem aktuellen WHO-Bericht gibt es keinen Hinweis darauf, dass Partikel im Trinkwasser gesundheitlich bedenklich sind. Darf man darauf vertrauen?

Es ist nicht zu erwarten, dass Mikroplastik im Grundwasser ein Problem ist. Auch in Oberflächengewässern wie dem Zürichsee konnten nur geringe Konzentrationen von Mikroplastik nachgewiesen werden. Aufgrund des heutigen Wissens ist zu erwarten, dass es in Bezug auf die menschliche Gesundheit kein Problem gibt, aber es braucht mehr wissenschaftliche Daten, um die Konsequenzen von Mikroplastik abschliessend zu beurteilen.

Hersteller teurer Wasserfilter-Apparate versprechen, Wasser von Pestizid-Rückständen oder von Mikroplastik befreien zu können. Lohnt sich die Anschaffung eines solchen Geräts für den privaten Haushalt?

Das macht in Ländern Sinn, in denen die Wasserqualität schlecht ist. In der Schweiz würde ich das nicht empfehlen. Filtersysteme wie die Umkehrosmose entfernen nicht nur Schadstoffe, sondern auch lebenswichtige Mineralstoffe und Spurenelemente aus dem Wasser. Das halte ich für kontraproduktiv.

Wie erfährt der Konsument, wie es um die Qualität des Wassers aus dem heimischen Wasserhahn steht?

Normalerweise erhält man einmal im Jahr per Post eine Information über die Wasserqualität seines Wohnorts. Wer sich aktiv informieren möchte, dem empfehle ich die Website des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches (SVGW). Man kann sich aber auch direkt an die Gemeinde oder Stadt wenden, in der man lebt.

Zur Person:

Prof. Dr. Urs von Gunten ist Experte für Wasserqualität und Wasseraufbereitung. Er ist Träger mehrerer Forschungspreise. An der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, leitet er die Gruppe Trinkwasserchemie und das Kompetenzzentrum Trinkwasser sowie an der ETH Lausanne (EPFL) das Labor für Wasserqualität und Wasseraufbereitung. Zudem lehrt er an der EPFL als ordentlicher Professor in den Gebieten Umweltchemie und Wasseraufbereitung.