5à7 Gymnasium-EPFL: Maturitätsreform, ChatGPT und Diversität
Auswirkungen von ChatGPT auf den Unterricht, Maturitätsreform oder auch psychische Gesundheit und Diversität der Studierendenschaft – das sind nur einige der Themen, bei denen EPFL und Gymnasiallehrkräfte Hand in Hand arbeiten müssen, um gemeinsam ein kohärentes und zukunftsorientiertes Bildungssystem zu erschaffen.
Im Rahmen des traditionellen 5à7-Treffens, welches gemeinsam vom Education Outreach Department (SPE) und den Abteilungen Mathematik, Physik, Chemie und Informatik am Rande der Studieninformationstage organisiert wurde, konnten sich Gymnasiallehrkräfte mit ihren Kolleginnen und Kollegen von der EPFL austauschen.
ChatGPT und Unterricht
Von der Personalauswahl über medizinische Protokolle bis hin zum Bildungswesen: ChatGPT eröffnet in zahlreichen Gesellschaftsbereichen nie dagewesene Möglichkeiten – allerdings nicht ohne Risiken. Auch wenn die meisten Lehrpersonen (und wahrscheinlich auch ihre Schülerinnen und Schüler) das KI-Tool bereits genutzt haben und dessen Vorzüge in Sachen Ideenfindung, Themenentwicklung und Übungsbeispiele loben, sind sie sich der Grenzen und Auswüchse von ChatGPT sehr wohl bewusst, insbesondere im Bildungswesen.
Bei einem von Schülerinnen und Schülern zu lösenden Informatikproblem sind die von ChatGPT vorgeschlagenen Korrekturen beispielsweise weder auf den Unterrichtsstoff abgestimmt noch an die individuell erarbeiteten Lösungen angepasst. KI-generierte Lösungsvorschläge können schulische Leistungen nicht verbessern, weil sie individuelle Wissenslücken nicht zu schliessen vermögen. «Durch manuelle Korrekturen kann ich meine Schülerinnen und Schüler viel besser kennenlernen und gleichzeitig auch schauen, welche meiner Unterrichtsinhalte gut verstanden wurden», fügt ein Gymnasiallehrer hinzu.
Zwar würden inzwischen viele Schülerinnen und Schüler auf ChatGPT vertrauen, doch sei es äusserst wichtig, dass sie lernen, dieses Tool sinnvoll einzusetzen, erklärt Syrielle Montariol, Postdoktorandin im Labor für die Verarbeitung natürlicher Sprache an der EPFL. ChatGPT ist nämlich nicht unfehlbar, sondern «liefert lediglich plausible Antworten auf der Grundlage der ihm einspeisten Trainingsdaten», so Monatriol. Die Forscherin beweist anschaulich, dass das Tool zwar überaus leistungsfähig ist, aber trotzdem die Reihenfolge der letzten zehn Schweizer Bundespräsidenten sowie die berufliche Zugehörigkeit von Antoine Bosselut, einem EPFL-Professor, der kürzlich wegen seiner Expertise im Bereich der künstlichen Intelligenz in die Medien gelangte, nicht richtig wiedergibt. Abgesehen von diesen Irrtümern, die aufgrund fehlender Überprüfungen leicht weiterverbreitet werden können, müssen zukünftige Weiterentwicklungen von ChatGPT auch zahlreiche Probleme beim Schutz vertraulicher Informationen in den Daten, mit denen das KI-System trainiert wird, beim Umgang mit dem Urheberrecht oder auch bei der Verstärkung von Stereotypen lösen.
Maturitätsreform und Übergang
Ein weiteres zentrales Anliegen des EPFL-Kollegiums und der Gymnasiallehrkräfte war die Maturitätsreform, zu der alle Beteiligten Stellung nehmen konnten. Dabei wurde das Prinzip der Harmonisierung der Mindestdauer der gymnasialen Ausbildung auf vier Jahre zwar gutgeheissen, allerdings bestehen hinsichtlich der konkreten Umsetzung der Reform durch die Kantone noch viele Unklarheiten.
Mit Blick auf die Weiterentwicklung der Maturität und ihre Stärkung als Hochschulzugangsberechtigung hegen das EPFL-Kollegium und die Gymnasiallehrkräfte die Hoffnung, dass die kantonalen Behörden den neuen Rahmenlehrplan hinsichtlich der basalen fachlichen Kompetenzen – Grundpfeiler des Gymnasialunterrichts – kompromisslos umsetzen und zugleich die Entwicklung überfachlicher Kompetenzen und interdisziplinärer Projekte fördern werden. Ebenso haben die gemeinsamen Überlegungen aufgezeigt, dass in den sogenannten naturwissenschaftlichen Schwerpunktfächern (PAM, BIC oder auch – wie von der EPFL empfohlen – gänzlich neue Schwerpunktfächer wie Physik-Chemie oder Mathematik-Informatik) ein verstärktes Mathematikniveau angestrebt werden muss. Diese Entscheidungen werden zweifellos einen erheblichen Einfluss auf den Bildungsweg der Schülerinnen und Schüler sowie deren zukünftige Leistungen im Hochschulstudium haben.
Unterstützungsangebote und Diversität
Abseits der Diskussionen um besagte Reform setzt die EPFL alles daran, ihre Studierenden bei der Ausschöpfung ihres Potenzials zu unterstützen, und zwar unabhängig von Herkunft und bisheriger Ausbildung. Warm-Up MOOC, Vorbereitungswoche "Students 4 Students", Mentoring-Programm, ergänzende Übungsstunden oder auch zusätzliche Zeit bei den Prüfungen: Diese Angebote scheinen laut den Beobachtungen des Propädeutischen Zentrums (CePro), vorgestellt von dessen Direktor Prof. Simone Deparis, Früchte zu tragen – insbesondere bei spezifischen Zielgruppen wie dem weiblichen Publikum, das in ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen nach wie vor unterrepräsentiert ist, oder auch den Inhaberinnen und Inhabern einer Maturität ohne PAM als Schwerpunktfach.
Ebenso scheinen diese Zielgruppen stark von der Öffnung des Cours de mathématiques spéciales (CMS) für Maturandinnen und Maturanden zu profitieren. Letztere bilden inzwischen einen beträchtlichen Teil der Lernenden in diesem Vorbereitungskurs, dessen Absolvierung offenbar eine Annäherung an das Leistungsniveau des PAM-Publikums ermöglicht. Dieser Trend wäre – sollte er sich fortsetzen – durchaus willkommen, um die Diversität der Studierendenschaft der EPFL voranzutreiben.